Otto van Veen: das letzte Abendmahl
Was für ein Glück, einen solchen Lehrer zu haben!
Dieses Treffen findet zu Beginn des Abends statt. Der Innenraum wird von wenigen Kerzen beleuchtet, deren schwaches Licht auf die Gesetzestafeln im Hintergrund fällt – ein Verweis auf den Alten Bund. Vor unseren Augen beginnt nun der Neue Bund mit diesem Passahmahl, das in jeder Eucharistiefeier liturgisch wiederholt wird.
Auf der rechten Seite fällt zusätzlich Licht ein, das die gelben und blauen Tuniken sowie die weiße Tischdecke besonders hervorhebt. Im Kontrast dazu treten die Apostel größtenteils aus dem Schatten hervor. Jesus hat soeben angekündigt, dass ihn einer seiner Jünger verraten wird, worauf unter ihnen eine angespannte Diskussion beginnt: „Wer denn? Doch nicht etwa ich?“ (Mk, 13:19).
Ein einzelner Tischgast entzieht sich dieser Diskussion. Er wendet sich ab, tut jedoch so, als wolle er noch teilnehmen – lässt sich einen weiteres Getränk einschenken. Gleichzeitig streckt er ein Bein aus, als wolle er sich rasch entfernen. Sein Obergewand ist rot, wie das Jesu – doch seine gebräuchliche, rötliche Haarfarbe verrät seine Identität. Es handelt sich um Judas.
Das späte Abendlicht erhellt noch den Rand seines Bechers, die Amphore vorne links sowie den kleinen Hund unter dem Stuhl.
Nach Ansicht vieler Kunstkritiker stellt dieses Werk ein Höhepunkt im Œuvre von Otto Van Veen dar. Selbst ein ungeübtes Auge erkennt die kompositorische Harmonie: die kreisförmig angeordneten Figuren, die beiden runden Leuchter, das ausgewogene Verhältnis von oberen und unteren Bildelementen.
Was jedoch im Laufe der Jahre mit einem Kunstwerk geschieht, ist nicht immer erfreulich. Um ein Gemälde räumlich anzupassen, wurden nicht selten Bildteilen entfernt, abgesägt, oder – wie in diesem Fall! – ergänzt, oben und unten. Ursprünglich war das Werk quadratisch konzipiert, sodass das gesegnete Brot bildlich wie inhaltlich den Mittelpunkt bilden sollte.
In der Liebfrauenkathedrale hängt im nördlichen Querschiff: P.P. Rubens: die Kreuzaufrichtung